Erste Analyse des Eckpunktepapiers Krankenhausreform vom 10.07.2023 – Teil II

09. August 2023
Jörn Schroeder-Printzen

II. Level Ii-Krankenhäuser

Nachdem in einem gesonderten Beitrag schon die Fragen der Vorhaltepauschale besprochen wurden, beschäftigt sich der nachfolgende Beitrag mit der sektorenübergreifenden Versorgung über Level Ii-Krankenhäuser.

Die Regelungen über die Level Ii-Krankenhäuser soll in einem gesonderten Gesetz vorgenommen werden.

Das gesamte Modell ist auf der abstrakten Ebene schon kaum ein nachvollziehbar, zumal auch Ausdrücke wie bettenführenden Primärversorgungszentren (PVZ), regionale Gesundheitszentren (RGZ – vgl. dazu die Regelung in § 3 Nr. 12 Niedersächsisches Krankenhausgesetz vom 28.06.2022, GVBl. 2022, 376), integrierte Gesundheitszentren oder andere ambulant-stationäre Zentren davon erfasst werden. Es geht hierbei um die Verzahnung von ambulanter und stationärer Behandlung, also um Fragen, die sowohl das Krankenhausrecht als auch das Vertragsarztrecht betreffen. Beide Rechtsbereiche wurden sowohl vom Gesetzgeber als auch in der Rechtsprechung jeweils eigenständig behandelt. Gleichzeitig lässt das Eckpunktepapier an keiner Stelle erkennen, wie diese Verzahnung in der vertragsärztlichen Versorgung umgesetzt werden soll. Daher bleiben in diesem Zusammenhang – hierauf sei schon jetzt hingewiesen – viele Fragen im Dunkeln.

1. Plankrankenhaus

Einstieg in die gesamte Beurteilung ist zunächst, dass es sich um ein Plankrankenhaus nach § 108 Nr. 2 SGB V handelt. Damit entfallen für dieses Modell sämtliche Krankenhäuser, die über einen Versorgungsvertrag an der stationären Versorgung gemäß § 108 Nr. 3 SGB V fallen. Dies erscheint auf den ersten Blick nicht sachgerecht, da auch Vertragskrankenhäuser grundsätzlich geeignet sind, Level Ii-Krankenhäuser zu sein.

Welches Krankenhaus ein Level Ii-Krankenhaus werden kann, entscheiden die Bundesländer im Rahmen der Krankenhausplanung. Solange dort keine entsprechende Entscheidung zugunsten eines Level Ii-Krankenhaus getroffen wurde, sind die nachfolgenden weiteren Überlegungen zunächst nicht weiter relevant. Es bleibt dann abzuwarten, wie sich die stationäre Versorgung in einem Flickenteppich entwickeln wird.

2. Weiterbildungsrecht

Weitere Vorstellung in diesem Zusammenhang ist, dass die Level Ii-Krankenhäuser eine zentrale Funktion in der ärztlichen Weiterbildung erhalten sollen.

Mit dieser Überlegung wird im Eckpunktepapier ein extrem dickes Brett gebohrt, die Ausgestaltung des Weiterbildungsrechts für Ärzte ist originäres Landesrecht. Die grundsätzlichen Regelungen dafür sind in den jeweiligen Heilberufe-/Kammergesetzen der Bundesländer geregelt. In diesen landesrechtlichen Vorschriften wird jedoch für das Weiterbildungsrecht nur in den Eckpunkten geregelt, ansonsten handelt es sich hierbei um originäres Satzungsrecht der jeweiligen Landesärztekammer.

Gesetzgebungstechnisch bedeutet dies eine möglicherweise notwendige Anpassung der Heilberufe-/Kammergesetze und dann noch eine Anpassung der jeweiligen Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern, die üblicherweise durch die Änderung der Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer zunächst vorgenommen wird und die dann in den jeweiligen Landesärztekammern diese Änderungen im eigenen Satzungsrecht übernimmt, wobei eine Pflicht zur Übernahme nicht besteht. Eine kurzfristige Anpassung der Weiterbildungsordnungen ist im Hinblick auf die jeweiligen Zuständigkeiten nicht zu erwarten.

Auch ist in diesem Zusammenhang die Frage zu stellen, warum die Level Ii-Krankenhäuser eine zentrale Rolle in der Weiterbildung bekommen sollen. Geht man davon aus, dass diese Krankenhäuser nur einen eingeschränkten Leistungsumfang haben werden, die den Bereich der Allgemeinmedizin/Geriatrie und zusätzlich eventuell Innere Medizin und/oder Chirurgie betreffen, so wird man sich die weitere Frage stellen müssen, was machen in diesem Modell mit den gesamten weiteren fachärztlichen Ausbildungen, die sich sicherlich nicht in einem Level Ii-Krankenhaus widerspiegeln werden (z.B. Radiologie, HNO-Heilkunde, Urologie, Strahlentherapie usw.)? An dieser Stelle bleibt festzuhalten, das Konzept wird so nicht funktionieren.

3. Versorgungsauftrag/Leistungsgegenstand

Auch bei der Definition des Leistungsgegenstandes – Versorgungsauftrag in der stationären Versorgung – des Level Ii-Krankenhauses wird es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Vielzahl von Problemen geben.

Angedacht ist in diesem Zusammenhang ein Negativkatalog an Leistungen, die die Level Ii-Krankenhäuser nicht erbringen dürfen. Dann stellt sich jedoch die weitergehende Frage, wenn der Patient im Laufe des stationären Aufenthaltes Leistungen benötigt, die das Level Ii-Krankenhaus nicht erbringen kann/darf, muss dann der Patient in ein weiteres Krankenhaus verlegt werden? Konsequenterweise müsste man dieses bejahen, ob das dem Wirtschaftlichkeitsgebot des SGB V entspricht, muss im Mindestmaß mit einem Fragezeichen versehen werden.

Ferner soll das Level Ii-Krankenhaus als sektorenübergreifender Versorger auch ambulante Leistungen erbringen:

  • Ambulante Leistungen aufgrund einer vertragsärztlichen Ermächtigung: Hier ist an die bisher schon existierende Regelung des § 116a SGB V zu denken nach der Krankenhäuser bei Unterversorgung eine Institutsermächtigung erhalten können. Diese Regelung hat in der bisherigen Praxis keinerlei Rolle gespielt, weil letztlich von der Institutsermächtigung kein Gebrauch gemacht wird. Ob hier im Rahmen der Krankenhausreform § 116a SGB V einen neuen Inhalt bekommt, bleibt abzuwarten.
  • Leistungen des AOP-Katalogs nach § 115b SGB V: dies ist letztlich auch nichts Neues, sofern das Krankenhaus die Voraussetzungen des AOP-Katalogs erfüllt, kann das Krankenhaus schon jetzt diese ambulanten Operationen erbringen.
  • Auch die Hybrid-DRGs nach § 115f SGB V sind schon jetzt unproblematisch erbringbar.
  • Der geplante Ausbau der Leistungen von Institutsambulanzen aus strukturellem Grund mit Zustimmung des Landes ist sicherlich etwas Neues, aber die Institutsambulanzen müssten dann auch für die ambulante vertragsärztliche Versorgung ermächtigt werden, sofern der Gesetzgeber nicht in diesem Zusammenhang eine Ermächtigung kraft Gesetzes vorsieht; ansonsten bleibt es bei der Subsidiarität der Ermächtigung. Hierbei ist die Rechtsprechung des 6. Senates des BSG zu beachten, wonach die Institutsermächtigung noch subsidiär gegenüber der grundsätzlich subsidiären Einzelermächtigung ist.
  • Die belegärztlichen Leistungen sind schon jetzt jederzeit in einem Krankenhaus möglich, sofern entsprechende Belegbetten im Krankenhausplan ausgewiesen sind.

In der Schnittstelle mit der Pflege nach dem SGB V sollen die Level Ii-Krankenhäuser noch die Übergangspflege nach § 39 SGB V durch Verlegung von einem anderen Krankenhaus sowie eine Kurzzeitpflege, nicht jedoch die stationäre Langzeitpflege übernehmen. Dann taucht jedoch das Problem auf, wonach bei einer Verlegung eines Patienten für die GKV keine Zusatzkosten entstehen sollen.

Neben der grundsätzlich zu befürwortenden Verstärkung der Telemedizin sind dann jedoch die weitergehenden Überlegungen bezüglich der Festlegung unverständlich sofern das Eckpunktepapier den sprachlichen Numerus clausus des SGB V aufgreifen sollte.

Einerseits wird von den Krankenhaus-Planungsbehörden gesprochen, des Weiteren von den Zulassungsausschüssen, beide gemeinsam sollen Festlegungen vornehmen, die die Grundlage für Verhandlungen – Krankenkassen und Krankenhäuser – auf Ortsebene sein sollen, wobei im Konfliktfall eine Ersetzung nach § 18a KHG durch die Landesschiedsstelle stattfinden soll.

Im bisherigen Sprachduktus der vertragsärztlichen Versorgung ist der Zulassungsausschuss innerhalb der ambulanten Versorgung nur zuständig im Rahmen eines Verwaltungsaktes über die Zulassungsfragen zu entscheiden. Soll jetzt dem Zulassungsausschuss eine vollkommen neue Aufgabe übertragen werden? Da die Zulassungsausschüsse derzeitig schon mehr als ausgelastet sind, erscheint es fraglich zu sein, wie dieses System funktionieren soll. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass die Krankenhausplanungsbehörden im Regelfall die Länder-Gesundheitsministerien sind, die gleichzeitig die Rechtsaufsicht über die Zulassungsgremien haben, eine möglicherweise gefährliche Gemengelage.

Auch inhaltlich ist die Mitwirkung des Zulassungsausschusses nicht ganz nachvollziehbar, da er nur in der ambulanten Versorgung tätig ist. Jetzt ist es nur noch möglich zu spekulieren: Hier sollen Rahmenparameter für die Ermächtigung in der ambulanten Versorgung festgelegt, werden, die dann vertraglich vereinbart werden.

4. Vergütung

Die Überlegungen zur Vergütung stellen neue Ansätze dar. Es soll die ambulanten Leistungen nach den §§ 115b und 115f SGB V sowie die Übergangspflege oder weitere ambulante Leistungen jeweils geltenden Vergütungsregelung den vergütet werden.

Für die stationären Leistungen kehren wir wieder zurück zu dem krankenhausindividuelle Tagessatz, wobei, sofern es erforderlich ist, auch mehrere Tagessätze – nunmehr systemwidrig Tagespauschalen genannt – mit einer Regelung über die Degression vereinbart werden. Sollen dann diese Krankenhäuser aus dem Mehrerlösverfahren herausgenommen werden?

Neben dem allgemeinen Tagessatz soll noch zusätzlich ein verringerter krankenhausindividueller Pflegesatz bei Leistungserbringung durch niedergelassene Ärzte vereinbart werden. Ob dieses Belegärzte sein werden, oder sonstige Ärzte, die im Krankenhaus tätig sind, ist nicht nachvollziehbar dargestellt worden. Für die von niedergelassenen Ärzten erbrachten Leistungen werden die Leistungen grundsätzlich nach dem Punktwert gemäß § 87a Abs. 2 SGB V vergütet, wem gegenüber die Abrechnung erfolgen soll, ist nicht dargelegt worden; Betrachtet man jedoch das Zusammenspiel von gesenktem Tagessatz für das Level Ii-Krankenhaus und Abrechnung nach dem EBM, dann dürfte eine Abrechnung durch die Ärzte stattfinden, wobei dafür grundsätzlich zwei Varianten möglich wären: Direkte Abrechnung mit den Krankenkassen oder – wie bei Belegärzten – Abrechnung über die KV. Dabei muss jedoch noch eine neue „Gebührenordnung“ geschaffen werden, denn nur die ärztlichen Leistungsanteile der jeweiligen EBM-Gebührenordnungsposition soll entsprechend vergütet werden. Bisher hat der EBM jedoch eine Differenzierung zwischen dem ärztliche Leistungsanteile und dem nichtärztlichen Leistungsanteile nicht stattgefunden.

5. Zwischenergebnis

Für die Level Ii-Krankenhäuser wird ein vollkommen neues Modell entwickelt, das jedoch nur dann zur Anwendung gelangt, wenn die jeweiligen Bundesländer tatsächlich Level Ii-Krankenhäuser ausgewiesen haben. Ohne die Ausweisung entsprechender Krankenhäuser in der Landeskrankenhausplanung geht dieses Konstrukt vollkommen in die Lehre.

III. Schlussbetrachtung

Eine abschließende Bewertung der gesamten Krankenhausreform in der Gestalt von zwei Gesetzen ist auf Grundlage des Eckepunktepapiers nur eingeschränkt möglich. Festzuhalten bleibt jedoch, dass hier der Versuch gestartet wird, das komplexe Gesundheitswesen in wesentlichen Teilen zu überarbeiten, soweit es die stationäre Versorgung betrifft.

Nach den bisherigen politischen Diskussionen soll das Gesetz zum 01.01.2024 in Kraft treten. Dies ist im Hinblick auf das Zeitfenster ein mehr als ambitioniertes Programm. Betrachtet man in diesem Zusammenhang die teilweise atemberaubende Verfahrensweise, in der am Vortag der 3. Lesung in der Vergangenheit die Beschlussfassung des Gesundheitsausschusses zur Verfügung gestellt wurde, bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.07. 2023 – 2 BvE 4/23 hinreichend beachtet. Nach meiner Auffassung ist die Komplexität dieser beiden Gesetzesentwürfe noch höher als die rechtliche Diskussion zum Gebäude-Energiegesetz zu bewerten. Leider haben diese Gesundheitsreformen nicht die allgemeine politische Bedeutung wie das Gebäude-Energiegesetz. Dennoch sind die Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts hierbei zu beachten.

Den ersten Teil des Artikels können Sie hier abrufen.