Erste Analyse des Eckpunktepapiers Krankenhausreform vom 10.07.2023 – Teil I

04. August 2023
Jörn Schroeder-Printzen

Was soll in der Krankenhausreform zum 01.01.2024 kommen?

Nach monatelangem Streit zwischen dem Bundesgesundheitsminister und den Bundesländern über eine als unstreitig notwendig anzusehende Krankenhausreform haben sich die Beteiligten nunmehr – mehr oder weniger – “zusammengerauft” und eine Eckpunktepapier über die Krankenhausreform am 10.07.2023 verfasst.

Der langwierige Streit zwischen Bund und Ländern war geschuldet der gespaltenen Gesetzgebungszuständigkeit für Krankenhäuser und dem weitgehenden Gestaltungswunsch des Bundesgesundheitsministers. Während der Bund für die Vergütung der Krankenhäuser die Gesetzgebungskompetenz hat, ist originäre Aufgabe der Bundesländer, die Krankenhausplanung durchzuführen. Über Parteigrenzen hinweg waren die Bundesländer der Auffassung, der Bundesgesundheitsminister würde mit seiner ursprünglich angedachten Krankenhausreform mit den verschiedenen Stufen der Krankenhäuser in die originäre krankenhausplanungsrechtliche Zuständigkeit der Länder eingreifen. Wenn das tatsächlich gewollt gewesen wäre, dem Bund eine Kompetenz für die Krankenhausplanung (mit-)zugewähren, hätte es einer Verfassungsänderung bedurft, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemals zustande gekommen wäre.

Aber auch in diesem konsentierten Eckpunktepapier scheint es noch politisch etwas zu brodeln, denn dieses Eckpunktepapier steht unter dem ausdrücklichen Vorbehalt einer zukünftigen finalen Gesamteinigung zwischen Bund und Ländern über die Grundstruktur einer Krankenhausreform. Daher kann man schon jetzt sagen, dieses Eckpunktepapier ist der Start für einen abschließenden Konsens, der Konsens zwischen Bund und Ländern liegt noch nicht vor.

Ziel dieser Krankenhausreform soll zum einen die Gewährleistung von Versorgungssicherheit im Rahmen der Daseinsvorsorge sein, ferner soll die Reform die Sicherung und Steuerung der Behandlungsqualität sowie als dritten Punkt eine Entbürokratisierung beinhalten.

Gerade beim letztgenannten Punkt wird man große Zweifel äußern können, ob eine Entbürokratisierung tatsächlich erreicht wird. Aus der Historie der Reformen des Gesundheitswesens ist deutlich erkennbar, dass in all den Fällen, in denen eine Entbürokratisierung erzielt werden sollte und das Wort geschwungen wurde, diese zu einer höheren Bürokratisierung führte. Es ist zu befürchten, Entsprechendes wird auch vorliegend passieren.

Die Krankenhausreform soll in zwei eigenständigen Gesetzes kommen:

  • generelle Überarbeitung der Vergütungsstrukturen für Krankenhäuser (nachfolgend “Krankenhausreform” genannt)
  • sektorenübergreifende Versorger (“Level Ii-Krankenhäuser”) (nachfolgend “Level Ii-Krankenhäuser” genannt)

Daher wird in diesem Beitrag nur die Krankenhausreform besprochen, die Level Ii-Krankenhäuser bleiben einem gesonderten Beitrag vorbehalten.

I. Krankenhausreform

Die Krankenhausreform hat diverse Einzelgesichtspunkte, die nachfolgend dargestellt werden sollen:

1. Änderung der Vergütungsstruktur

Die bisherige Zweiteilung der Krankenhausvergütung in DRG und Pflegebudget soll nunmehr in eine dreistufige Vergütung geteilt werden, das Pflegebudget, die DRGs sowie – und dieses ist neu – eine Vorhaltevergütung, später wird dann von Vorhaltebudget gesprochen; wer das Gesundheitssystem in Deutschland kennt, weiß, hier gibt es keine nach oben offene Vergütung, sondern sie wird mal wieder gedeckelt.

2. Leistungsgruppen

Auch wenn sich der Bundesgesundheitsminister etwas von der Level-Einteilung der Krankenhäuser verabschiedet hat, kommen sie in anderer Form im Rahmen der Vergütung wieder.

Es sollen Leistungsgruppen gebildet werden, denen die einzelnen Behandlungsfälle zugeordnet werden können. Dieses Modell der Leistungsgruppen ist in der Krankenhausfinanzierung neu. Die Leistungsgruppen haben bisher in Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Krankenhausplanung Eingang gefunden, wo sie auch entwickelt wurden, und soll jetzt in die Vergütungsstrukturen übertragen werden.

In der Krankenhausplanung von Nordrhein-Westfalen werden die Leistungsgruppen die jeweiligen Facharztdisziplinen in Untergruppen aufgegliedert. Dabei werden den Leistungsgruppen Mindestvorgaben, sowohl hinsichtlich der Technik als auch hinsichtlich des Personals vorgenommen. Dieser planerische Ansatz soll jetzt in die Struktur der Vergütung im Rahmen der Vorhaltevergütung  einfließen; dies erinnert den Verfasser an die Einführung der DRG; sie stammen aus Australien und dienten ausschließlich statistischen Zwecken, in Deutschland wurden sie die Stellschrauben für die Vergütung. Diese Leistungsgruppen werden maßgebliches Kriterium für die Verteilung der Vorhaltepauschalen bzw. genauer des Vorhaltebudgets.

3. Vorhaltepauschalen/Vorhaltebudget

Die Vorhaltepauschale führt grundsätzlich zu keiner Erhöhung des Erlösvolumens, sie wird vielmehr über die Reduzierung der Fallpauschalen (re-)finanziert. Sonderregelungen gibt es für einzelne Klinikgruppen bzw. Leistungsbereiche.

Zunächst wird das aus der Reduzierung der Fallpauschalen sich ergebende Geldvolumen jeweils nach den Bundesländern ausgewiesen und nach den bereits oben beschriebenen Leistungsgruppen dargestellt. Dieses Vorhaltebudget soll – so ist zumindest der Entwurf zu verstehen – auf die Bundesländer und auf das jeweilige Jahr bezogen sein und gleichfalls einem Deckel unterzogen werden.

In der Individualisierung der Vorhaltepauschalen/Vorhaltebudget sollen die Krankenhäuser unter Berücksichtigung der bisherigen Fallzahl und Fallschwere eingestuft werden, dies auf empirisch-mathematischer Grundlage, das durch das InEK berechnet werden soll. Damit wird dann das landesweite Vorhaltebudget auf die jeweiligen Krankenhäuser unter Beachtung der Leistungsgruppen aufgeteilt. In der Konsequenz bedeutet das, dass das Vorhaltebudget für die einzelnen Krankenhäuser sehr unterschiedlich sein kann, auch wenn sie die gleichen Leistungen erbringen.

Daher soll auch eine mehrjährige Konvergenzphase stattfinden, um die finanziellen Veränderungen für die Krankenhäuser abzufedern. Dies ist kein unbekanntes Modell, auch hinsichtlich der Landesbasisfallwerte existierte eine Konvergenzphase.

Ein mittelbarer Eingriff in die Planungshoheit der Bundesländer wird über finanzielle Gesichtspunkte vorgenommen. Ein Krankenhaus hat nämlich nur dann einen Anspruch auf das leistungsgruppenbezogene Vorhaltebudget, wenn ihm vom Land die entsprechende Leistungsgruppe zugewiesen wurde und die Qualitätskriterien der Leistungsgruppe erfüllt sind. Konsequenz daraus ist, die Bundesländer werden mittelbar gezwungen, das durch den Bundesgesetzgeber vorgegebene Modell umzusetzen; welche Auswirkungen dies auf den Gesetzgebungsprozess haben wird, bleibt abzuwarten. Ausgezahlt werden soll das Vorhaltebudget mittelbar über die Krankenhausrechnungen.

4. Entbürokratisierung?/MD-Prüfung

Oben wurde bereits beschrieben, es soll eine Entbürokratisierung stattfinden, nunmehr kommt der deutliche Schritt zur Bürokratisierung. Neben der weiteren Zergliederung der Vergütung über die Vorhaltepauschale, nachdem bereits das Pflegebudget aus der DRG herausgenommen wurde, wird ein weiterer Schritt zur Bürokratisierung vorgenommen. Die nach OPS und ICD-10 verteilten Leistungsgruppen werden mit Qualitätsmerkmalen unterlegt, die dann durch den MD geprüft werden sollen. Dabei soll gleichzeitig auch geprüft werden, ob nicht weitere bisher existierende Prüfmethoden – Prüfung der Strukturmerkmale oder die Qualitätssicherungsprüfung nach den Richtlinien des G-BA – zusammengefasst werden können. Nichts desto trotz wird man festhalten müssen, es findet eine Erweiterung der Prüfung statt.

5. Ausnahmeregelungen

Besondere Regelungen sind jedoch für Universitätskliniken oder andere zur Erbringung koordinierender und vernetzender Aufgaben geeigneter Versorger vorgesehen; dies gilt auch für die Bereich Pädiatrie, Geburtshilfe, Notfallversorgung sowie Stroke Unit, spezielle Traumatologie und Intensivmedizin. Dort sollen noch Zuschläge gewährt werden.

Wie diese Ausnahmeregelungen in das Gesamtkonzept eingefügt werden sollen, darüber schweigt das Eckpunktepapier. Auch die Finanzierung hierfür ist noch vollkommen unklar.

6. Zwischenergebnis

Auch wenn viele Details naturgemäß bei dem Eckpunktepapier im Dunklen bleiben, wird hier mit Sicherheit ein spannender Spagat zwischen den Vergütungsstrukturen einerseits und der Krankenhausplanung andererseits noch viel Streit zwischen Bund und Ländern geben. Dabei darf sicherlich auch nicht vergessen werden, die Länger sind für die Finanzierung der Krankenhäuser im Bereich der Erhaltung und von Investitionen zahlungspflichtig, festzustellen ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass die Länder dieser Verpflichtung bisher in der Vergangenheit nur rudimentär nachgekommen sind.