BSG, Urteil vom 07.03.2023 – B 1 KR 3/22 R
Das Bundessozialgericht hatte mit Urteil vom 07.03.2023 – B 1 KR 3/22 R die Frage zu entscheiden, ob die Mehrkosten, die sich aus der Verlegung eines Patienten von einem Krankenhaus in ein anderes Krankenhaus von der Krankenkasse ergeben, zu tragen hat.
Dabei stellte das Gericht fest, dass einer Verlegung eines Patienten eines sachlichen Grundes bedarf, wenn dadurch Mehrkosten entstehen, die die Krankenkassen tragen sollen. Als Gründe wurden vom BSG angeführt:
- Zwingende medizinische Gründe: Hier kommen als Gründe in Betracht, dass beispielsweise die erforderliche Behandlung nicht mehr vom Versorgungsauftrag des verlegenden Krankenhaus gedeckt sind. Dies dürfte jedoch nicht abschließend sein, weitere Gründe können noch zur Anwendung gelangen, so nach unserer Auffassung Leistungen, die zwar grundsätzlich noch vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses gedeckt sind, jedoch tatsächlich von dem verlegenden Krankenhaus nicht erbracht werden können.
- Zwingende Gründe, die in der Person des Versicherten liegen: Allein der Wunsch des Patienten, wohnortnah behandelt zu werden, reicht grundsätzlich für die Verlegung nicht aus, es müssen vielmehr noch weitere Umstände hinzutreten; es müssen daher Gründe vorliegen, die den weiteren Aufenthalt unzumutbar machen. Diese können nach Auffassung des Gerichts in einem Zerwürfnis mit dem behandelnden Krankenhaus oder relevante religiöse Gründe sein. Auch kann eine größere Entfernung zu Anverwandten oder Eltern ein relevanter Grund darstellen.
- Übergeordnete Gründe der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen patienten- und bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern: Im Rahmen der gestuften Krankenhausversorgung von einem Maximalversorger bis hin zu einem Grundversorger kann es im Einzelfall erforderlich sein, den Patienten zu verlegen, wenn die Versorgung grundsätzlich sicher gestellt ist und die Kapazitäten des Maximalversorgers zwingend für die Versorgung von weiteren Patienten benötigt werden.
Diese gesamten Gründe für die Verlegung sind zwingend zu dokumentieren, denn das Krankenhaus muss im Streitfalle diese beschriebenen Gründe gegenüber der Krankenkasse bzw. dem Gericht nachweisen.
Bei diesem Schadensersatzanspruch der Krankenkasse ist noch ein weiteres Regulativ in die Entscheidung des BSG eingeflossen: Da zum Zeitpunkt der Verlegung noch nicht absehbar ist, ob evtl. überhaupt Mehrkosten anfallen können, muss das verlegende Krankenhaus in einer dokumentierten überschlägigen prognostischen Schätzung prüfen. Wenn dann bei dieser Schätzung die tatsächlich angefallenen Mehrkosten den Schätzungsbetrag übersteigen, dann ist zu prüfen, in wie weit das verlegende Krankenhaus tatsächlich diese Mehrkosten zu vertreten hat.
In einer Bewertung dieser Entscheidung bleibt festzuhalten, dass diese Entscheidung sehr differenziert die Problematik abhandelt und für die Zukunft sicherlich ein breites Fenster für Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Verlegung bietet. Für das verlegende Krankenhaus tritt durch die Entscheidung ein erhöhter Verwaltungsaufwand ein, weil nunmehr der Entscheidungsprozess dokumentiert werden muss. Das bedeutet nicht nur für die unmittelbar an der Behandlung beteiligten Ärzte einen Mehraufwand, sondern auch das Medizincontrolling muss in diesen Fällen eingebunden werden, da dort die Frage der Mehrkosten sachgerecht kalkuliert werden können.
Wenn die zu erwartende Krankenhausreform mit einer deutlichen Gliederung der Versorgungsstruktur mit Stufen bzw. Level der Krankenhäuser kommt, wird man sich im Gesetzgebungsverfahren auch überlegen müssen, ob diese Entscheidung noch so tragfähig ist. Dies letztlich auch wegen des erhöhten Verwaltungsaufwand der Krankenhäuser und der gestuften Vergütungsstruktur für die Krankenhäuser.