Neue Chancen für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA)?

31. Juli 2023
Dr. Thomas Wostry

Wen betrifft das Thema?


Unternehmen, die Software-Medizinprodukte entwickeln oder vertreiben, und Angehörige von Heilberufen


Seit dem 13. Juli 2023 befindet sich der Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums eines sog. Digital-Gesetzes im Stellungnahmeverfahren. Darin ist unter anderem vorgesehen, dass DiGA künftig „noch besser für die Versorgung nutzbar“ gemacht werden sollen.
Wir erläutern die wichtigsten Aspekte des Entwurfs in Bezug auf DiGA:

Leistungsanspruch

§ 33a SGB V, der den Leistungsanspruch der Versicherten auf DiGA regelt, soll nach dem Gesetzentwurf ergänzt werden, sodass künftig auch eine Versorgung mit Medizinprodukten höherer Risikoklasse möglich sein soll. Auch die Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§§ 24c, 24e SGB V) sollen in Zukunft die Versorgung mit DiGA umfassen. Vom Leistungsanspruch nimmt der Entwurf – aus Gründen der Klarstellung – Medizinprodukte zur Steuerung aktiver therapeutischer Produkte (also: unselbstständige Software zur Steuerung dieser Produkte) und DiGA, die zur Verwendung mit bestimmten Hilfs- oder Arzneimitteln vorgesehen sind (bspw. „Begleitsoftware“) aus. Als Medizinprodukte höherer Risikoklasse sollen Produkte gelten, die in Anhang VIII der MP-VO zu der Risikoklasse IIb gerechnet werden und als solche bereits in Verkehr gebracht sind. Das betrifft gemäß „Klassifikationsregel 11“ zum Beispiel Software, die für die Kontrolle von vitalen physiologischen Parametern bestimmt ist, soweit die Art der Änderung dieser Parameter zu einer unmittelbaren Gefahr für den Patienten führen könnte. Als Voraussetzung für den Weg der Produkte höherer Risikoklassen in die Versorgung ist angedacht, dass die Hersteller mit dem Antrag beim BfArM den Nachweis eines medizinischen Nutzens führen. Dazu sollen prospektive Vergleichsstudien vorgelegt werden.

Preisgestaltung

Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbart mit den Herstellern digitaler Gesundheitsanwendungen die Vergütungsbeträge. Bereits heute sollen dabei auch erfolgsabhängige Preisbestandteile in die Vereinbarungen einbezogen werden. Der Gesetzentwurf sieht insoweit vor, dass die Preisgestaltung bei DiGA künftig auf eine Steuerung des Angebots ausgerichtet und verpflichtend anhand von Erfolgskriterien erfolgen soll. Künftig, so der Gesetzentwurf, soll es eine Verpflichtung zur Vereinbarung geben, dass der Anteil erfolgsabhängiger Preisbestandteile mindestens zwanzig Prozent des Vergütungsbetrags umfassen muss. Der Gesetzentwurf sieht zudem eine „Karenzzeit“ von 12 Monaten für bestehende Vereinbarungen ohne entsprechende Erfolgsbestandteile vor.

Erfolgsmessung

Künftig soll gemäß § 139e Abs. 13 SGB V-NEU eine anwendungsbegleitende Erfolgsmessung und Meldung der Ergebnisse an das BfArM stattfinden. Die Methoden, Verfahren und Inhalte der Erfolgsmessung soll das Bundesministerium für Gesundheit in der DiGA-Verordnung regeln. Ziel der Regelungen ist, Transparenz über Einsatz und Erfolg der DiGA herzustellen und die Ergebnisse im Rahmen der Preisgestaltung zu nutzen.

Absprachen

Schließlich sollen die bestehenden Verbote von auf DiGA bezogenen Absprachen und Zuweisungen um ein Verbot von Absprachen zwischen DiGA-Herstellern und Herstellern von Arzei- oder Hilfsmitteln, die geeignet sind, die Wahlfreiheit von Versicherten zu beeinträchtigen, ergänzt werden. Der Gesetzentwurf möchte dadurch sog. „Lock-In“-Effekte vermeiden, den individuellen Gesundheitsschutz von Versicherten gewährleisten, die ärztliche Therapiefreiheit stärken und die finanzielle Leistungsfähigkeit der GKV erhalten.

Fazit

Mit der geplanten Erweiterung des Leistungsanspruchs auf Software-Medizinprodukte höherer Risikoklassen geht der Gesetzgeber einen Schritt in die richtige Richtung. Die bislang noch unklaren Details der Regelungen zur Preisgestaltung und Erfolgsmessung bergen jedoch Konfliktpotenzial, denn eine gute Versorgung verlangt die Gewährleistung finanzieller Sicherheit für die Hersteller von Software-Medizinprodukten, die künftig einen erweiterten Anforderungskatalog erfüllen sollen, damit ihre Produkte den Versicherten zur Verfügung gestellt werden können. Besonders kritisch: Wie bei allen Regelungen über unzulässige Kooperationen im Gesundheitswesen unternimmt auch dieser Gesetzentwurf den Versuch, dem geplanten Absprachenverbot eine Sammlung unterschiedlichster Schutzgüter zuzuordnen. Das ist für die Rechtssicherheit üblicherweise nicht vorteilhaft.